Armut


22. Dezember 2012

 

Harriet Modler

Im vorweihnachtlichen Licht

erscheint der Armutsbericht,

bequem frisiert,

verwegen zensiert.

Die Wohlstandsgesellschaft genießt überreizt ihren Wein,

wachsam wahrt sie jeden Schein.

 

Dankbar und froh — gern inkognito.

Die Konsumlaune ist noch auf gutem Niveau,

entscheidend ist die Schau.

 

Unter Brücken und Bänken

gefangen die Scham,

während Poker-Broker die Scheine versenken,

suchen Menschen nach Abfall und Kram.

 

Niemand muss sich wirklich stören lassen,

bei allseits vollen Kassen

und den friedfertigen Massen,

die jeglichen Anstand vermissen lassen.

 

Hungrige Kinder und offensichtliche Not,

bedeutsamer und deshalb wichtig:

Der DAX ist im Lot.

Auch der Anzug sitzt richtig.

 

Doch bleibt in diesen Tagen zu fragen,

ob nur die materielle Armut ist gemeint,

denn vielmehr mir erscheint,

ein geistiges Defizit dehnt sich sprunghaft aus

und schreitet rasant voraus.

 

Auch so manches Herz ist kalt und leer,

die Bürde wiegt oft schwer.

Ist der Mensch fair?

Kann er Mitgefühl erlernen?

Wir greifen nach den Sternen,

das Naheliegende bleibt im Fernen.

 

Vielen ist die Welt verschlossen,

Gesetze werden in Blei gegossen,

fern der Realität,

die Saat ist lang schon gelegt,

für erträglichen Gemeinsinn zu spät.

 

Die in die Armutsfalle gelangen,

sind im Spinnennetz gefangen.

Wohl dem, der versteht,

wie das Rad sich dreht.

 

Verzicht ist unser Wille nicht,

erlesene Konten sind mit Milliarden gefüllt

bis die Inflation ihren Wert umhüllt —

langsam die Fassade bricht,

sich auflösend das geschminkte Gesicht.

 

Geduldig wird Armut reguliert,

in Salons wird der Hummer balsamiert.

Alternativlosigkeit ist die Hymne der Zeit —

welch grenzenlose Freiheit!?

 

Das Raubgesindel ist bekannt, 

die Bankenrettung ist und bleibt relevant.

Auf Ministerebene wird verzerrt und verzogen,

zum Thema wird konform gelogen,

wer wird hier eigentlich betrogen?

 

Die Staatsgewalt geht vom Volke aus!

Blanker Hohn —

Gewalt reduziert als Lohn,

bitterer Fron

für die Sklaven der Nation.

 

In immer wieder neuen Kleidern zieht der Größenwahn

seit Jahrhunderten seine Bahn,

Schlösser entstehen,

Finanzburgen bestehen,

Staatsrepräsentanzen gaukeln vor den Glanz,

geschaffen im einsamen Tanz —

bis die Steuern ausgehen.

 

Nur der wird bedient,

der es verdient,

folgsam wird die Seele verhökert,

in fremden Sälen geschmökert.

 

So hat sich etabliert frivol —

eine absonderliche Scheinmoral

mit kahler Gestalt,

wie ein Wunder noch ohne Gewalt!

 

Doch was in der Armut steckt,

ist bis heute unentdeckt.

Lasst walten den Mut und weiten,

um ihn über den ganzen Globus auszubreiten.