Kampf


11. Februar 2013

 

Harriet Modler

Mein erster ›Kampf‹, in den ich mich begab,

fand im Klassenzimmer statt.

Unterm Ellenbogen wurde damals schon betrogen,

auch meine Lehrer haben vorbildlich bewusst gelogen.

 

In jener Zeit waren wir zum Klassenkampf bereit:

Ost gegen West

hieß unser Spiel —

der Sozialismus war das Ziel.

 

Einheitliche Kampfesreden

beschworen den Frieden für die Welt.

Bei der Steigerung der Arbeitsproduktivität

haben sich die Genossen planmäßig verzählt —

die Volkskammer wurde abgewählt.

 

Nun lebe ich ohne Mauern,

fühle kein Bedauern,

die Sehnsucht nach Frieden ist geblieben,

doch stärker als je zuvor

kämpfen Menschen gegen Menschen,

wie vom Teufel getrieben,

in allen Lebenslagen,

auf unteren und oberen Etagen,

selten mit fairen Bandagen.

 

Soldaten kämpfen mit Mandat

auf fremden Feldern für den deutschen Staat.

Sie geben ihre Leben

für Eitelkeit und Machtstreben.

Kaum eine Stimme, die sich wehrt

gegen Panzer, Raketen und Drohnen.

 

Ich suche die Motive für die Interventionen,

sehe nur sinnleere Aktionen. Was haben all die Kriege gelehrt,

wer hat die Siege begehrt —

was ist ein Menschenleben wert?

 

Politische Interpretationsakrobaten

verharmlosen armselig und heuchlerisch zugleich, 

die steigenden Rüstungsdaten.

Vernunft existiert nur in kleinsten Raten,

bedauerlich, denn jeder kommt ins Himmelreich.

 

Wie in alten Zeiten

dienen Duelle für grenzenloses Streiten.

Raffgierig fightet das Establishment,

sie sind in ihrem Element,

wenn sie Wasser oder Rohstoffe verknappen und verschwenden,

sich unersättlich vergehen an den Naturspenden,

Märkte in Blasen verwandeln,

unlauter handeln.

 

Deshalb kämpfen Menschen um ihr Überleben,

gegen gesteuerte Krisen 

und zügellose Riesen.

 

Die subtilsten Kämpfe jedoch 

sind Scheinkämpfe, sie werden meist geführt expressiv:

die Arbeitslosen bleiben im Archiv!

 

Bevorzugt wird gegen Krankheit vorgegangen,

anstatt mit Gesundheit anzufangen.

 

Methodisch ist der Kampf gegen den Terror,

denn wird dieser Horror

oft genug platziert —

entsteht Gewohnheit, 

die Hemmschwellen deaktiviert.

 

Um die Menschen in Schach zu halten,

muss die Angst walten.

Ein Wort ist hinreichend wirkungsvoll: ›Verlust‹!

Das wird verstanden (auch) materiell,

so wächst potenziell

genügend explosiver Frust.

 

Wettbewerb unter vergleichbaren Bedingungen

ist wünschenswert.

Er wird Fiktion bleiben,

weil ›Schiedsrichter‹ mit einseitigen Regeln

unsittliche Systeme bekleiden,

die, leider zu wenige, Pazifisten meiden.

 

Mauern wurden zu Fall gebracht,

es entstanden neue Allianzen, 

gut für globale Bilanzen.

 

Auf dem Parkett der Selbstgefälligkeiten triumphieren

wenige Matadore hinter verschlossenem Tore.

 

Die Produktion von Drogen ist ein florierendes Geschäft,

das Verwirrung bei Dealer UND Konsumenten hinterlässt.

Eine ernst gemeinte Aktion dagegen ist nicht zu entdecken,

wer will schon ›schlafende Hunde‹ wecken,

denn Anbau und Konsum

fließen opulenter als das Wirtschaftswachstum.

 

Was ist dem Kampf noch abzuringen,

ohne den Gegner brutal in die Knie zu zwingen.

Durch K(r)ampf lässt sich nichts erzwingen,

Siege können wir nur über uns selbst erringen, 

ohne Neid und Gier — 

nur mit der einen Kraft, die alles schafft!