17. Februar 2012
Harriet Modler
Das höchste Amt im Staat ist wieder frei. Geeignete Personen können sich bei der Kanzlerin bewerben. Nicht ›Ich kann Kanzler?‹, sondern ›Wer kann Präsident?‹ hätte die Casting-Initiative des ZDF heißen können. Die Chance einen parteiunabhängigen Kandidaten aufzustellen, ist den ersten Spekulationen zufolge schon fast wieder vertan, weil Namen wie de Maizière, von der Leyen oder Lammert schwer von ihrer politischen Heimat zu trennen sind. Jeder durchschnittlich intelligente Beobachter, der die seit 66 Tagen laufende Demontage des Bundespräsidenten verfolgen durfte, weiß, dass der Rücktritt optional jederzeit hätte erfolgen können. Das diese Situation bis heute ausgereizt wurde, liegt nur an der Strategie jener Person, die ihn für das Amt auserkoren hatte.
Der Bürger kann davon ausgehen, dass die vermeintliche B-Frage offensiv hinter den Kulissen im Kanzleramt bereits beantwortet ist. Somit hat die Vor-Führung einer ›demokratischen‹ Wahl längst begonnen.
Unpässlich geraten die Affären um Wulff genau in die Zeit, in der die schwarz-gelbe Legitimation sinkt. Eine ›Staatskrise‹ wurde medial heraufbeschworen, hätte Wulff zeitnah konsequent — wohlbemerkt angemessen — gehandelt. Jeder einzelne Vorwurf an sich, hätte einen Rückzug gerechtfertigt! So aber bietet diese Komödie filmreifen Stoff einerseits und eine willkommene Ablenkung vom politisch wirklich Relevanten andererseits. Vielleicht ist das die Vielfalt, die Wulff UND Merkel in ihren beiden Erklärungen besonders betonten, um die Amtszeit des Bundespräsidenten zu definieren.
Die Kanzlerin ›… habe die Erklärung mit größtem Respekt und tiefem Bedauern zur Kenntnis genommen.‹ In ihrer 125 Sekunden dauernden Reaktion auf den Rücktritt erwähnte sie zwei Mal Respekt und befand weiterhin, Deutschland wurde würdig vertreten. Treffsicher stellte sie demnach das heraus, was zwischenzeitlich stark bezweifelt wurde: mangelnder Respekt und die Beschädigung des Amtes! Und was bedauert sie? Die Erklärung zum Rücktritt oder die Vorwürfe?
Unrechtsbewusstsein scheint für Merkel und Wulff jedenfalls kein Thema zu sein! Und ›Kriege‹ werden ab sofort wieder anderenorts geführt.