18. Oktober 2011
Harriet Modler
Wer will das nicht? Kennen Sie Menschen, die das Richtige tun wollen, aber nicht können? Oder Sie können etwas tun, wollen aber nicht. Der Wille allein genügt nur selten, wenn ein Plan realisiert werden soll — vorausgesetzt es existiert ein Plan. Eine Idee, die im Moment ihrer Entstehung ›richtig‹ erscheint. Eine Idee zur richtigen Zeit ist der optimale Impuls, der zur Handlung animiert. Jeder Mensch trifft pausenlos ›richtige‹ Entscheidungen. Warum? Weil im Moment der Entscheidung immer das richtige Gefühl mitschwingt, sonst würden wir es nicht tun, oder? Würden Sie absichtlich das Falsche tun, und wenn doch nur, weil Sie wüssten, dass es das Richtige ist, was getan werden muss. So paradox es klingt, aber das Richtige zu tun, und dann noch gepaart mit der Ansage dies, aber nur zu ›wollen‹, schwächt nicht nur die zuvor erwähnte Absicht — sie vermittelt einzig eine plakative Aussage mit einer gewissen grundsätzlichen Note, die statisch das ›Richtige‹ mit der Person verbindet, die sich derartiger Erklärungen bedient.
Diese geistreiche Äußerung baut die Bundeskanzlerin öfter — so auch bei Jauch am 29.09.2011: Teile der Sendung sind über youtube abrufbar: http://www.youtube.com/watch?v=sMK0vPUwe-w — in ihren gelernten Textpassagen ein, wahrscheinlich weil ihr Klang so vielversprechend ist oder ihre Berater diese rhetorische Floskel als psychologischen Anker mit Wiedererkennungswert positiv einordnen.
Am 27.10.2010 meinte Merkel auch das Richtige zu tun, an jenem Tag vertrat sie die Meinung, der Rettungsschirm samt seinen Milliarden wäre nicht tragbar und noch weniger praktizierbar für Europa und den Euro. Eine Momentaufnahme, die dem steten Wandel geschuldet, heute nicht mehr weitergedacht werden darf. Als ob die Griechen noch nie ein Problem mit Zahlen, ihrem Wahrheitsgehalt und ihren Interpretationsmöglichkeiten hatten. Mit gefälschten Zahlen lassen sich kaum richtige Entscheidungen treffen, umso kniffliger ist die Suche nach der richtigen tagespolitischen Antwort.
Unter den neuzeitlichen Bekenntnissen wählender Bürger, wird der Druck von allen Seiten größer: Das Konjunkturbarometer verliert an Fahrt, demgegenüber steigen die Schulden der Industriedynastien und die Aktienkurse richten sich nicht mehr nach Bilanzen und noch weniger nach Wertschöpfungen, sie unterliegen — übrigens nicht erst seit gestern — dem Wohlgefallen einiger Spieler, die das Pokern allseits legalisiert haben. Und deshalb ist konsequenterweise der Rettungsschirm derzeit ohne Alternative. Das politische Orchester lässt jedenfalls keinen anderen Ton zu.
So sieht staatlich sanktionierter Geldfluss aus, der so fein und originell gesteuert wird, sodass die eben erwähnten Spieler gleich am Tisch sitzen bleiben können, um ihre Beute gezielt umzuverteilen. Parallel wird die EZB zum Handlungszwang genötigt, sie verteilt billiges Geld an ihre Käufer und pumpt weiter ›Papier‹ in die Märkte, damit es dem Bürger leichter fällt, Schulden als weniger belastend zu empfinden. Dadurch entsteht ein überaus interessanter Nebeneffekt, denn die europäische Schuldendramatik wird so, akrobatisch, zu einer Komödie mit Unterhaltungswert. Mittlerweile haben alle den Schwachsinn akzeptiert, insbesondere die bekannten Gegner des Rettungsschirms, also Herr Bosbach und Co., sie durften demokratisch ihre Bedenken darlegen, wobei er und der ›große‹ Rest seine Zweifel nicht gleich mit dem Sitz im Bundestag tauschen wollten. Herr Bosbach blieben Ressentiments erspart, wie Hinterbänkler damit umgehen, muss uns nicht wirklich interessieren.
Demokratische Entscheidungen werden hierzulande leicht zur Mogelpackung. Gleichwohl dient diese ›Demokratie‹ für Merkel als Verkaufsschlager im Ausland, wie jüngst in der Mongolei. Deutschlands Nr. 1 in der Exportliste heißt: Demokratie! China fürchtet bereits, als Exportweltmeister abgelöst zu werden. Und auch die Menschenrechte gehören zum Gesamtpaket, wenn die Kanzlerin auf Eroberungstour geht. Denn in Deutschland werden die Menschenrechte allseits und immer geachtet. Gibt es daran Zweifel? Und, wenn ja, sind sie nicht erlaubt! Die Verfassung und das verwendete Papier können sehr geduldig sein. Für Merkel fühlt sich das alles sicher richtig gut an, wenn gewisse Stichwörter fallen, damit die mediale Schreibkultur ihren informativen Auftrag erfüllen kann.
Richtigerweise erstickt die mächtigste Frau der Welt, so die globale Presse, aber auch jede aufkeimende Diskussion über sich und ihre Wunschkoalition, die ihre Legitimation im Superwahljahr 2011 recht eindeutig verloren hat. Absolut ›richtig‹ handelt sie, sonst zu allem entschlossen, was nicht mehr aufzuschieben ist, um eben nicht die Vertrauensfrage zu stellen. Diesbezüglich wurde ein Denkverbot ausgesprochen! Ganz sicher! Einigkeit macht stark — so lautet das Motto im Bundestag. Vermutlich werden einige, genaugenommen 93, Plätze im Bundestag frei. Die Liberalen könnten an der 5-Prozent-Hürde scheitern. Ein echter Verlust, oh, aber das ist ein anderes Thema, das ich in Kürze aufgreife. Ob es richtig ist, sich mit dem Untergang zu beschäftigen, nun, ich denke schon, denn nach jedem Sturz ist das Aufstehen die beste und damit eine RICHTIGE Entscheidung! Vielleicht sollte ›richtig‹ oder ›falsch‹ in der sprachlichen Bewertung durch ›sinnvoll‹ ersetzt werden, allerdings, so ist zu befürchten, hat das für jeden von uns wieder eine andere Bedeutung.